Freisinnige sind jetzt besonders gefragt

Der Coronavirus hat in atemberaubendem Tempo viele unserer Freiheiten temporär ausser Kraft gesetzt. Das sollte uns lehren, dass diese Freiheiten nicht selbstverständlich sind, sondern stets aufs Neue erkämpft und verteidigt werden müssen.

Politische Mühlen mahlen für gewöhnlich langsam. Wenn es aber darauf ankommt, können die Mühlen so richtig Fahrt aufnehmen. So geschehen, seit COVID-19 begonnen hat unser aller Leben zu dominieren. Innert kürzester Zeit wurden mittels Notrecht einschneidende Massnahmen beschlossen. Und während wir noch daran waren, diese zu erfassen und zu verstehen, wurden bereits die nächsten Massnahmen angekündigt. Auch zum Zeitpunkt, zu dem dieser Text verfasst wird, ist nicht klar, was gilt, wenn er in den Haushalten der Leserinnen und Leser ankommt.

Dieses Tempo ist eine Herausforderung für uns alle. Für das Individuum, welches sein Verhalten an die aktuell geltenden Vorschriften anpassen muss. Für Familien und Freunde, die einen Weg finden müssen, miteinander in Kontakt zu bleiben. Für Unternehmerinnen und Unternehmer, die im Unwissen darüber, wann die Massnahmen gelockert werden, ihre Personal- und Liquiditätspläne über den Haufen werfen und neu schreiben müssen.

Weil uns diese horrende Geschwindigkeit, in welcher sich die Dinge ereignen, fast vollständig in Beschlag nimmt, wird das Ausmass der Massnahmen und der damit verbundenen Folgen erst langsam sichtbar. Und erst so langsam kommt man dazu sich grundlegende Gedanken zu machen, was die Reaktion auf COVID-19 mit unserem Leben und unseren Freiheiten macht.

Der liberale Rechtsstaat, in dem wir leben, garantiert uns gemäss Bundesverfassung viele Freiheiten. Es sind Freiheiten, die oft unsichtbar sind und an die wir uns gewöhnt haben, weil wir – im Gegensatz zu unseren Vorfahren und vielen Menschen sonst auf der Welt – nie wirklich dafür kämpfen mussten. Sie waren einfach immer irgendwie da. Diskussionen, ob eine politische Vorlage zu stark in diese Freiheit eingriff, kamen einigen deshalb immer etwas abgehoben und akademisch vor.

Und plötzlich ist alles anders. Der Bundesrat entscheidet mittels Notrecht, verbriefte verfassungsmässige Rechte wie Bewegungsfreiheit, Wirtschaftsfreiheit, Anspruch auf Grundschulunterricht, Glaubensfreiheit oder Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit von einem Tag auf den anderen einzuschränken. Ich bestreite nicht, dass die Massnahmen notwendig waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und Zeit zu gewinnen, damit unser Gesundheitssystem unter der Last der hospitalisierungsbedürftigen Infizierten nicht kollabiert. Beides ist uns nicht schlecht gelungen.

Auch unsere Partei hat sich angepasst. Der Vorstand der Basler FDP hat aufgrund der aktuellen Situation beschlossen, die Generalversammlung nicht wie immer in Form eine Präsenzveranstaltung abzuhalten, sondern eine digitale Alternative zu finden.

Freiheiten zurückgewinnen

Je länger die Massnahmen jedoch andauern, desto stärker müssen wir uns dafür einsetzen, dass wir unsere Freiheiten zurückbekommen. Natürlich befürchtet kaum jemand ein neues Vollmachtenregime, wie es bis sieben Jahre nach dem zweiten Weltkrieg andauerte. Nur mit vereinter Kraft konnten dem Bundesrat damals seine weitgehenden Kompetenzen wieder entrissen werden. Umso erfreulicher ist es zu sehen, wie zurückhaltend der Bundesrat beispielsweise beim Thema einer Ausgangssperre ist.

Doch lassen wir uns nicht täuschen. Die Rückkehr zur Normalität wird nur langsam und schrittweise vonstattengehen. Die Aufgabe von uns Freisinnigen liegt darin, einen vernünftigen Weg einzuschlagen zwischen Schutz der Risikogruppen (denn das Wohl der Gesellschaft misst sich am Wohl der Schwächsten) und dem schrittweisen Wiederherstellen einer wirtschaftlichen und sozialen Normalität. Es ist zudem unsere Pflicht, nicht zuzulassen, dass die Coronakrise langfristig als Vorwand dient, unsere Freiheiten einzuschränken.

Nun, da uns in aller Deutlichkeit vor Augen geführt wurde, wie schnell unsere Freiheiten verschwinden können, tun gerade wir Freisinnige deshalb gut daran, entschieden darauf zu pochen, dass wir so rasch wie möglich schrittweise wieder zur Normalität zurückkehren.

Unsere Gesellschaft wird nach COVID-19 nicht mehr dieselbe sein. Das ist aber nicht nur eine schlechte Nachricht. In der Coronakrise gibt es auch Dinge, über die ich mich als Freisinniger freue:

  1. Unternehmerinnen und Unternehmer zeigen sich auch unter diesen erschwerten Umständen innovativ, bieten Lieferdienste an oder suchen andere Wege, ihre Waren oder Dienste an Mann und Frau zu bringen.
  2. Die Vorteile der Digitalisierung kommen voll zum Tragen. Von Hilfsplattformen über Live-Konzerte bis hin zum Home Office kann vieles digital bewältigt werden.
  3. Es ist beeindruckend zu sehen, wie viele Menschen sich gegenseitig Hilfe anbieten und sich solidarisch zeigen. Das ist gelebter Gemeinsinn.

Bleiben Sie gesund!

Artikel erschienen im Basler Freisinn vom 24. April 2020.

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    Luca Urgese
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