Eine verkehrspolitische Auslegeordnung zum Abstimmungssonntag

9. Februar 2020

Das Verdikt ist klar: Die beiden «Zämme besser»-Initiativen des Gewerbeverbandes sind gescheitert. Der Gegenvorschlag der rot-grünen Mehrheit im Grossen Rat wurde angenommen. Was bedeutet das für die FDP und ihre Verkehrspolitik? Eine Auslegeordnung.

Wir brauchen es nicht schönzureden. Die Bevölkerung hat am heutigen Abstimmungssonntag anders entschieden, als sich die FDP das gewünscht hat. Die FDP hat die beiden Initiativen des Gewerbeverbandes unterstützt, weil sie der Ansicht ist, dass die Fronten in der baselstädtischen Verkehrspolitik sich in den letzten Jahren massiv verhärtet haben und es deshalb eine Korrektur gebraucht hätte.

Wer mit Grossrätinnen und Grossräten beider Lager spricht, sieht sich darin bestätigt. Auf beiden Seiten haben sich viele Parlamentarier aus der Verkehrspolitik verabschiedet, weil sie das unkonstruktive Gezänk nicht mehr hören mögen. Das ist sehr bedauerlich, denn es gäbe genug Möglichkeiten, mit innovativen Ansätzen und gegenseitiger Rücksichtnahme Lösungen zu finden, die von beiden Seiten mitgetragen werden könnten.

Stattdessen standen sich die beiden Seiten im Abstimmungskampf unversöhnlich gegenüber. Die einen behaupteten, es werde künftig verboten ein privates Auto zu besitzen. Die anderen behaupteten, der Parkplatz auf dem Münsterplatz komme zurück. Beides angesichts des Gesetzestextes offensichtlich unhaltbar. So weit haben wir es in der Basler Verkehrspolitik gebracht.

Ein Gegenvorschlag, der viele Fragen offen lässt

Nun hat die Bevölkerungsmehrheit also einen Gegenvorschlag zum Gesetz gemacht, der insbesondere zwei Dinge fordert:

  1. ab 2050 sollen ausschliesslich emissionsarme, klima- und ressourcenschonende Verkehrsmittel und Fortbewegungsarten unterwegs sein,
  2. umweltfreundliche (also flächeneffiziente, emissionsarme, klima- und ressourcenschonende) Verkehrsmittel sollen bevorzugt behandelt werden.

Das Nette an solchen langfristigen Zielen ist, dass sie auf den ersten Blick niemandem wehtun und deshalb gerne eine Mehrheit finden. Wir kennen das Muster in der Basler Verkehrspolitik bereits. Die Bevölkerung stimmt abstrakten Zielen gerne zu (Beispiel: 10% Reduktionsziel beim motorisierten Individualverkehr bis 2020), wenn es dann aber um konkrete Massnahmen geht, ist der Widerstand gross (Beispiel: Ablehnung des Velo-Rings).

Und so wird sich auch diesmal erst bei den konkreten Massnahmen zeigen, ob die Bevölkerung tatsächlich zu einschneidenden Massnahmen bereit ist. Ganz abgesehen davon: Beobachtet man die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre in der Automobilindustrie, beispielsweise die Entwicklung der Elektromobilität oder der Wasserstoffantriebe, dürfte dieses Ziel auch ohne repressive Massnahmen und unabhängig von der Basler Verkehrspolitik schon viel früher als 2050 erreicht werden.

Spannend wird auch die Diskussion über die Umsetzung des Begriffes «flächeneffizient». Linksgrün zielt dabei offensichtlich primär auf das Auto. Es wird sich allerdings noch zeigen, ob das nicht zu grösseren Anpassungen im öffentlichen Verkehr führen muss. Denn es mag zwar zutreffen, dass ein Tram zu Stosszeiten deutlich flächeneffizienter ist als ein Auto. Aber was ist mit dem praktisch leeren Tram zu Randzeiten, welches gegenüber dem Auto pro Person deutlich mehr Fläche beansprucht?

Die FDP und die Verkehrspolitik

Immer wieder, auch am Abstimmungssonntag, werden Stimmen laut, die der FDP vorwerfen, in ihrer Politik zu verkehrs- und vor allem zu autolastig zu sein. Zunächst: Die FDP wird sich selbstverständlich im Grossen Rat und bei Abstimmungen auch weiterhin zu verkehrspolitischen Vorlagen äussern, so wie sie das bei allen anderen Vorlagen auch tut. Das nennt sich politisches Tagesgeschäft und wird ausnahmslos von allen Parteien so praktiziert. Wer das der FDP vorwirft, verfolgt eine klare politische Agenda. Davon werden wir uns ganz sicher nicht beirren lassen.

Dass die FDP darüber hinaus ihren politischen Fokus auf Parkplätze oder Autopolitik generell gerichtet habe, ist hingegen schlicht falsch. Die FDP setzt die politischen Schwerpunkte schon seit einiger Zeit anders, was sich im Parteiprogramm – verabschiedet im Herbst 2018 – zeigt: Die Schwerpunkte sind Bildung, Digitalisierung und Wirtschaft. Die FDP liess diesen Worten auch Taten folgen. Am meisten Vorstösse reichte die Fraktion seither zu genau diesen drei Themen ein:

FDP wird konstruktiv an moderner Verkehrspolitik mitarbeiten

Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die FDP sich nicht mehr zur Verkehrspolitik äussert. Das wäre ein Fehler, denn es würde bedeuten sich den Mund verbieten zu lassen und das Feld all denjenigen zu überlassen, die für sich die Hoheit beanspruchen zu definieren, was eine moderne, zeitgemässe Verkehrspolitik ist. Die FDP wird hingegen, wie in ihrem Parteiprogramm ausgeführt, auch weiterhin zukunftsgerichtete Konzepte unterstützen. Dies hat sie bereits ganz konkret unter Beweis gestellt:

  • In einem Anzug fordert Martina Bernasconi, dass Wasserstofftankstellen gefördert werden sollen. Damit soll emissionsfreie Mobilität unterstützt werden.
  • In einem weiteren Anzug fordere ich, die konkrete Planung von unterirdischen Quartierparkings voranzutreiben. Damit soll oberirdisch mehr Platz geschaffen werden, z.B. für Velos und Fussgänger.

Verkehrspolitische Kehrtwende der SP?

Ein Abstimmungskampf kann zum Teil seltsame Blüten treiben. Es war eher skurril, als die SP in einem Vorstoss plötzlich mehr Parkplätze auf Privatgrundstücken ermöglichen wollte. Im Jahr 2012 haben der Gewerbeverband und die bürgerlichen Parteien genau diese Forderung bereits als Initiative eingebracht. Selbstverständlich wurde diese Initiative damals von Rot-Grün bekämpft. Genau diejenigen, die heute von Links als rückständig beschimpft werden, waren ihrer Zeit also offensichtlich zehn Jahre voraus.

Wer weiss, vielleicht ist diese Kehrtwende ein kleiner Lichtblick der Vernunft in der Basler Verkehrspolitik.

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    Luca Urgese
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