«Schon wieder?!» Als der Regierungsrat Mitte April bekannt gab, dass die MCH Group ein weiteres Mal Geld vom Kanton erhalten sollte, ging es mir spontan wie vielen anderen. Es überwogen die negativen Gefühle.
Unser Befinden gegenüber unserem Messeunternehmen ist geprägt von den Erfahrungen und Geschichten der letzten Jahre. Der Untergang der Baselworld, das Ende der Muba, die wahrgenommene Arroganz der Messeführung, Verwaltungsratsmitglieder dank richtigem Parteibüchlein, Flops wie die Grand Basel – die Liste ist nicht abschliessend. Hinzu kamen gravierende Managementfehler. Mehrere hundert Millionen Franken in neue Messehallen zu investieren, ohne die Aussteller mit langfristigen Verträgen an den Standort zu binden, war ein Versäumnis gröberer Sorte. Konsequenz all dieser Ereignisse ist ein Börsenkurs, der auf 7 Franken abgestürzt ist. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 lag der Börsenkurs bei 78.39 Franken.
Und nach all dem jetzt also die Frage, ob der Grosse Rat nach all diesen Geschichten 34 Millionen Franken aufwenden soll, um sich an einer Kapitalerhöhung der MCH Group zu beteiligen. Gleichzeitig soll der Kanton darauf verzichten, ein Darlehen in Höhe von 5,8 Millionen Franken zurückzufordern. Dies braucht für einmal eine etwas längere Abhandlung.
Wir entscheiden nicht über die Vergangenheit
Es gibt die bekannte Redewendung, man solle gutem Geld kein schlechtes Geld hinterherwerfen. Erweist sich eine Investition als Fehlinvestition, sollte man nicht noch weiteres Geld investieren. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Nur weil eine frühere Investition nicht das gewünschte Resultat gebracht hat, ist nicht jede künftige Investition per se zum Scheitern verurteilt.
Das ist für mich denn auch der richtige Ansatz, um über das vorliegende Geschäft zu entscheiden. Wir entscheiden nicht über die Vergangenheit, nicht darüber, ob wir den Untergang der Baselworld bedauern oder ob wir die Arbeit früherer CEOs gut fanden. Wir entscheiden darüber, ob wir daran glauben, dass die MCH Group in Basel eine Zukunft hat.
Messe- und Kongressgeschäft ist ein Wettbewerb der öffentlichen Hände
Bei all diesen Diskussionen stellt sich für einen Freisinnigen zuallererst natürlich die Frage, warum der Staat überhaupt an der börsenkotierten MCH Group beteiligt ist und sein soll. Hierzu muss man wissen, dass das Messe- und Kongressgeschäft weltweit ein Wettbewerb der Städte und damit letztendlich der öffentlichen Hände ist. Mir ist kein Standort bekannt, in dem nicht in der einen oder anderen Form Steuergeld fliesst. In einigen Städten wird die Infrastruktur mit Steuergeld finanziert. In anderen Städten können dank Steuervergünstigungen tiefere Gebühren angeboten werden. Man kann es richtig oder falsch finden: Ohne finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand ist kein privates Unternehmen im Messe- und Kongressgeschäft wettbewerbsfähig, weil es gegenüber anderen Standorten mit finanzieller Unterstützung durch den Staat im Nachteil ist.
Für Anhänger der Marktwirtschaft ist das ein Graus. Warum sich also an diesem Wettbewerb beteiligen? Weil es sich volkswirtschaftlich lohnt. Studien schätzen die Wertschöpfung für den Standort Basel auf 950 Millionen Franken pro Jahr (Durchschnitt der Jahre 2018 und 2019). 10’500 Arbeitsplätze werden direkt und indirekt geschaffen. Unter anderem in der Gastronomie, der Hotellerie oder im Standbau. Es resultieren geschätzte Steuereinnahmen von 75 Millionen Franken pro Jahr (Quelle: Ratschlag, S. 8).
Diese Wertschöpfung dürfte nach dem Ende der Baselworld und auch den zahlreichen aufgrund der Pandemie abgesagten Messen und Kongressen in den letzten beiden Jahren natürlich massiv tiefer gewesen sein. Aber in pandemiefreien Jahren wird sie ebenso klar auch wieder ansteigen.
Natürlich können wir uns entscheiden, uns an diesem Subventions-Wettbewerb nicht zu beteiligen. Wir entscheiden uns dann aber eben auch, auf die erwähnte Wertschöpfung und darüber hinaus auch auf die internationale Aufmerksamkeit und Werbung für die Stadt Basel weitgehend zu verzichten.
Strukturentscheid ist vor zwei Jahren gefallen
Man kann leidlich darüber diskutieren, ob die heutige Struktur mit einer Beteiligung des Kantons an einem börsenkotierten Unternehmen das beste Konstrukt ist. Alternativen sind denkbar. So könnte man sich beispielsweise vorstellen, dass der Kanton als Eigentümer die Infrastruktur (konkret: die Messehallen und das Congress Center) betreibt und diese zu günstigen Konditionen einer oder mehreren Betreibergesellschaften zur Verfügung stellt. Allein: Solche Alternativen stehen aktuell nicht zur Diskussion. Es ist angesichts unserer zeitintensiven demokratischen Prozesse nicht möglich, in der nötigen Frist diese Debatte zu führen und zu entscheiden, bis die MCH Group im Mai 2023 eine Anleihe von 100 Millionen Franken zurückzahlen muss. Die sorgfältige Prüfung und der politische Entscheid würden mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Ganz abgesehen davon, dass sich die privaten Miteigentümer der MCH Group mit einer solchen Umstrukturierung einverstanden erklären müssten, was eine weitere erhebliche Hürde darstellt.
Ohnehin fände ich es nicht sinnvoll, schon jetzt wieder über die Beteiligungsstruktur zu diskutieren. Über die heute bestehende Struktur mit der Beteiligung eines privaten Grossaktionärs und einer Sperrminorität der öffentlichen Hand hat der Grosse Rat vor zwei Jahren diskutiert. Er hat damals entschieden, den Einstieg von Lupa Systems – einem von James Murdoch gegründeten Investmentunternehmen mit Fokus auf Live-Events – zu ermöglichen. Der Standort Basel wurde dabei mit einem Vertrag abgesichert und einem Aktienanteil von einem Drittel, um eine Änderung des Unternehmenszwecks («Messen, Kongresse und weitere Veranstaltungen namentlich in den vorhandenen Infrastrukturen an den Standorten Basel, Zürich und Lausanne») mit dieser Sperrminorität verhindern zu können.
Die zwei Jahre seit diesem Entscheid waren von der Pandemie geprägt. Vieles konnte nicht wie geplant stattfinden. Die pandemiebedingten Verluste für die MCH Group dürften sich auf um die 100 Millionen Franken belaufen. Es wäre daher unfair, diese zwei Jahre als Beleg dafür anzuführen, dass der angepeilte Turnaround und die Strategie des Unternehmens nicht funktionieren.
MCH Group braucht zwingend frisches Geld
Bleibt also die Frage, was passiert, wenn der Grosse Rat eine Beteiligung an der Kapitalerhöhung ablehnt. Sicher ist, die MCH Group braucht frisches Geld. Ich habe es bereits geschrieben, die MCH Group muss im Mai 2023 eine Anleihe von 100 Millionen Franken zurückbezahlen. Dafür reicht das derzeitige Unternehmenskapital nicht aus. Macht der Kanton Basel-Stadt nicht mit, muss das Geld also aus anderen Quellen kommen. Denkbar wäre eine höhere Beteiligung durch Lupa Systems. Wobei völlig offen ist, ob James Murdoch dazu bereit wäre. Denkbar wäre auch der Einstieg von anderen privaten Investoren. Für den Standort Basel wäre das hochriskant. Die Standortverpflichtung von Lupa Systems, die nächsten 10 bis 15 Jahre sicher in Basel zu bleiben, würde dahinfallen Wer allfällige weitere Investoren wären und was ihre Absichten sind wäre völlig offen. Man kann sich vorstellen, dass es mehr als genügend Investoren gibt, die liebend gerne die Filetstücke wie die Art Basel aus der MCH Group herauslösen und den Rest eingehen lassen würden.
Nicht auszuschliessen ist auch der Worst Case. Die MCH Group bekommt heute Anleihen und Darlehen zu günstigeren Konditionen, weil die öffentliche Hand zu mindestens 33,34 Prozent beteiligt ist. Zieht der Kanton Basel-Stadt nicht mit und fällt damit der Anteil der öffentlichen Hand unter diese Schwelle, könnten sowohl die Zürcher Kantonalbank als auch die Basler Kantonalbank eine sofortige Rückzahlung verlangen. Der Kapitalbedarf würde sofort stark ansteigen. Eine Refinanzierung wäre nur zu deutlich schlechteren Konditionen möglich. Lassen sich keine privaten Investoren finden, die das entsprechende Risiko eingehen wollen, bliebe nur noch der Konkurs. Über eine Auffanggesellschaft würde man dann wohl versuchen, Einzelteile zu verkaufen und so möglichst viel zu retten. Auch hier wäre völlig offen, wer die Käufer sind, was ihre Absichten sind und ob das gelingt. Es wäre ein Akt kreativer Zerstörung verbunden mit dem Prinzip Hoffnung.
Beteiligung des Kantons ist ein finanzielles Risiko
Ich hoffe, es wird aus meinen Ausführungen deutlich, dass der Entscheid, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, nicht alternativlos ist. Nach sorgfältigen Überlegungen bin ich persönlich aber zum Schluss gekommen, dass die Beteiligung an der Kapitalerhöhung der MCH Group für den Kanton die risikoärmste Alternative ist. Alle übrigen Alternativen sind meiner Einschätzung nach mit deutlich höheren Risiken und erheblichen negativen Auswirkungen auf den Standort verbunden. Das ist keine Erpressung, wie es einzelne Ratskollegen beklagen, sondern eine möglichst nüchterne Abwägung der Chancen und Risiken der verschiedenen Optionen, die wir haben.
Ich sage Ja zu dieser Kapitalerhöhung, weil ich den Messe- und Kongressstandort Basel erhalten will. Weil ich die Wertschöpfung für das Gewerbe und die Arbeitsplätze erhalten will. Weil ich daran glaube, dass die Strategie des Unternehmens funktionieren kann. Und weil ich mehr Vertrauen in das Engagement von Lupa Systems habe, welches mit privatem Geld ins Risiko geht, als in die vagen Zukunftsideen der Kritiker.
Es sollte dennoch nochmals deutlich gesagt sein: Eine Beteiligung an dieser Kapitalerhöhung ist ein finanzielles Risiko. Wir investieren Steuergeld in ein Unternehmen, ohne sicher zu wissen, dass es uns gelingt, die MCH Group nachhaltig zu stabilisieren.
Es ist aus meiner Sicht die letzte Chance für die MCH Group, das Vertrauen von Politik und Bevölkerung zurückzugewinnen und auf die Erfolgsspur zurückzukehren.