Keine Demokratie mehr, wenn es um das Klima geht?

16. Juni 2024

Demokratie kann eine mühsame Sache sein. Die Prozesse sind langsam, kompliziert und manchmal sieht es am Schluss dann eine Mehrheit auch noch anders als man selbst, obwohl man doch fest davon überzeugt ist zu wissen, dass man recht hat. Dennoch möchte ich persönlich in keiner anderen Staatsform leben. Nirgendwo sonst können wir so umfassend und so direkt Einfluss auf die Politik und damit auf unser Leben nehmen.

Andere scheinen mit der Demokratie ihre Schwierigkeiten zu haben. Diesen Mittwoch hat der Grosse Rat – mit Stichentscheid seines Präsidenten – nämlich einen ziemlich fragwürdigen Entscheid getroffen. Was ist passiert?

Der Regierungsrat hat letzten Herbst den ersten Teil seiner Klimaschutzstrategie präsentiert. Darin werden die bis 2037 notwendigen Klimaschutzinvestitionen auf ungefähr 3,6 Milliarden Franken geschätzt.

Diese Investitionen müssen im ordentlichen politischen Prozess vom Regierungsrat, vom Grossen Rat und allenfalls auch vom Volk beschlossen werden. Das kann auch einmal auf erheblichen Widerstand stossen, wie das deutliche Volks-Nein zu den beiden Stadtklima-Initiativen im letzten November zeigt.

Damit haben Politikerinnen und Politiker von Links so ihre liebe Mühe. Nicht nur werden im Grossen Rat laufend Vorstösse eingereicht, welche die Stadtklima-Initiativen trotzdem umsetzen wollen. Wenn es um Klimaschutz geht, soll der ordentliche politische Prozess künftig nicht mehr gelten. Wie soll das funktionieren?

Es soll ein sogenannter Klimafonds „New Green Deal für Basel“ eingerichtet werden. Dieser soll gefüllt werden mit Steuereinnahmen und mit Bundesgeldern. Eine Vergabekommission soll dann darüber entscheiden, wofür die darin liegenden Mittel eingesetzt werden. Damit sei „eine faire und unabhängige Vergabe der Mittel gewährleistet„.

Im Klartext: Parlament und Volk sollen, wenn es um das Klima geht, nichts mehr zu sagen haben. Weil sie nicht immer beschliessen, was die Linken wollen. Stattdessen soll eine im Gegensatz zu Regierung und Parlament nicht vom Volk gewählte Kommission über den Einsatz dieser Gelder – 3,6 Milliarden Franken! – entscheiden.

Die Linke in unserem Kanton will faktisch also den Grossen Rat und letztendlich auch das Volk in Klimafragen entmachten. Denn diese handeln, nach linker Lesart, unfair und abhängig. Das ist inakzeptabel.

Selbstverständlich ist das Thema Klimaschutz wichtig. Aber wer dafür die Demokratie aushebeln will, betreibt ein gefährliches Spiel. Lassen wir künftig Gesundheitsexperten entscheiden, weil die Politik Mühe damit hat, das Kosten- und Prämienwachstum zu bremsen (unfair gegenüber den Prämienzahlenden!)? Lassen wir künftig Rentenexperten entscheiden, weil die Politik daran scheitert, eine nachhaltige Finanzierung unserer Altersvorsorge zu beschliessen (unfair gegenüber den jüngeren Generationen!)? Lassen wir künftig Finanzexperten entscheiden, weil die Politik es nicht schafft, das ungebremste Ausgabenwachstum des Staates in den Griff zu bekommen (unfair gegenüber den Steuerzahlenden!)? Die Liste liesse sich weiter fortsetzen.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass alles viel besser kommt, wenn man einfach nur die Experten machen lässt. Natürlich sind Expertise und Wissenschaft wichtig. Als Entscheidgrundlagen. Aber in einer Demokratie führt kein Weg daran vorbei, Mehrheiten von der eigenen Position zu überzeugen, politische Entscheidungen zu treffen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Das Volk und dessen Vertreterinnen und Vertreter müssen für eine Massnahme oder eine Investition gewonnen werden.

Schiebt man diese einfach beiseite und ignoriert deren gegenläufige Meinung, resultiert Frust, Ärger, Politikverdrossenheit und im schlimmsten Fall die Hinwendung zu anderen undemokratischen und populistischen Kräften, die versprechen gegen diese „Eliten“ und diese „Expertokratie“ Widerstand zu leisten. Lassen wir es nicht so weit kommen.

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    Luca Urgese
    Riehenring 65, 4058 Basel