Staatshaftung für Raubüberfälle. Und was ist mit den passiven Zuschauern?

30. Oktober 2013

Der Basler Anwalt Ralph Steyert will den Staat haftbar machen für Raubüberfälle, weil dieser es pflichtwidrig unterlassen habe, seine Garantenpflicht in Form des polizeilichen Schutzauftrages wahrzunehmen. Klingt auf Anhieb wie ein interessanter Ansatz, ist aber aus mehreren Gründen falsch.

Es beginnt bereits mit der Frage, welches eigentlich die Sorgfalts- und die daraus folgende Garantenpflicht des Staates – in diesem Fall vertreten durch die Polizei – ist. Muss der Staat garantieren, dass keine Raubüberfälle mehr stattfinden?

Denkt man den Ansatz von Herrn Steyert in dieser Form zu Ende, könnte der Staat einer solchen Garantenpflicht nur dann nachkommen, wenn er an jeder Ecke einen Polizisten aufstellt, der bei einem Raubüberfall sofort eingreifen kann. Es wäre der einzige Weg, sich von einer solchen Haftung zu befreien – und der direkte Weg in den Polizeistaat.

Nun mag man einwenden, so sei es natürlich nicht gemeint. Der Staat solle einfach gefälligst mehr für die Sicherheit tun. Aber wo beginnt dann die Haftung des Staates? Ab wann muss er finanziell geradestehen, wenn sich Kriminelle nicht an das Gesetz halten? Und wo gilt Kriminalität noch als unvermeidliche Begleiterscheinung einer freien Gesellschaft?

Mit dem Raubüberfall vom 17. Oktober in der Gerbergasse hat sich Herr Steyert ein hervorragendes Beispiel für dieses Gedankenspiel ausgesucht. So haben nämlich Medienberichten zufolge mehrere Passanten den Raub beobachtet, aber weder helfend eingegriffen noch die Polizei alarmiert. Sie haben weggeschaut und den Raub geschehen lassen. Waren diese Unterlassungen nicht viel unmittelbarer dafür verantwortlich, dass der Raub nicht verhindert oder der Täter gefasst werden konnte? Wären sie folglich nicht mindestens gleichermassen haftbar zu machen wie der Staat?

Letztendlich wiederspiegelt der Vorschlag von Herrn Steyert eine schlechte gesellschaftliche Entwicklung: statt selbst Verantwortung zu übernehmen für eine sichere Gesellschaft, delegiert man die Verantwortung für die Sicherheit komplett an den Staat und wäscht seine Hände in Unschuld. Wohlverstanden: es geht nicht um Selbstjustiz! Aber eine freiheitliche Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihren Teil zur Sicherheit beitragen, indem sie einem Opfer von Kriminalität zu Hilfe eilen, Zivilcourage zeigen oder zumindest die Polizei alarmieren. Statt sich unangenehm berührt wegzudrehen und anschliessend auf den unfähigen Staat zu schimpfen.

Luca Urgese
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