Vier Forderungen brachte die Besetzung der Aula zutage. Eine Analyse.

1. Dezember 2009
Debattierende Studierende in der Aula des Basler Kollegiengebäudes.
Debattierende Studierende in der Aula des Basler Kollegiengebäudes.

Es wird geschimpft über „Bologna“, diese Hochschulreform, die anscheinend so viel Übel und Elend über die Universitäten gebracht hat. Doch worum geht es eigentlich?
 
„Bologna“ ist in diesem Zusammenhang eigentlich eine Abkürzung für die am 19. Juni 1999 in dieser italienischen Stadt von 29 europäischen Ländern unterzeichnete gemeinsame Erkläung der Europäischen Bildungsminister. In diesem recht kurzen Text legten die Minister sechs konkrete Ziele für die nächsten zehn Jahre fest:  

> Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse  

> Schaffung eines zweistufigen Systems von Abschlüssen (Bachelor/Master)  

> Einführung eines Leistungspunktesystems  

> Förderung der Mobilität  

> Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung  

> Förderung der europäischen Dimension der Hochschulausbildung  

Konkret auf das Leben der Studierenden haben sich vor allem die Schaffung des zweistufigen Systems und die Einführung des ECTS-Punktesystems. Der Erfolg der Reform ist je nach Land sehr unterschiedlich. So hat Österreich ernsthafte Probleme mit seinen Hochschulen, namentlich im Bereich der Finanzen und den Betreuungsverhältnissen. Kein Wunder also, dass die Studierendenproteste dort ihren Anfang nahmen.  

Die Protestwelle schwappte bald auch in die Schweiz und dort zuerst zu uns nach Basel, obwohl die Situation bei uns bei weitem nicht so prekär. Dennoch entschloss sich die Organisation „Unsere Uni“, die Aula zu besetzen. Dies zunächst mit vier sehr schwammigen und unklaren Forderungen. Dieser Umstand erstaunte, denn ich ging bisher davon aus, dass man sich zuerst überlegt, weshalb man eigentlich protestiert. So entstand mein Eindruck, dass es eher darum ging, bei den europäischen Protesten dabei zu sein. Ein Augenschein vor Ort bestätigte dies teilweise. Zwar wurde durchaus angeregt über Bildungspolitik diskutiert. Oft glitten die Diskussionen aber auch ins Absurde, wenn es etwa darum ging, ob nun die Medien dabei sein durften oder nicht.  

Entstanden ist nach aktuellem Stand ein Papier mit vier konkreten Forderungen, die hier beleuchtet werden sollen:  

1: Mehr Mitbestimmung der Studierenden an der Ausgestaltung des Bildungsangebots  

Unter diesem Titel wird die Abschaffung von Präsenzkontrollen gefordert. Was für die Mediziner kaum praktikabel wäre, sollte an anderen Fakultäten ernsthaft überprüft werden. Die weiteren Forderungen tönen auf den ersten Blick nach partizipativem Unterricht, der im Rahmen der Universität durchaus einen Platz haben sollte. Sie entpuppen sich beim zweiten Hinsehen aber als Kuckucksei! Gefordert werden Kreditpunkte für von den Studierenden selbt organisierte Lehrveranstaltungen und gemeinsame Bestimmung einer sinnvollen Form des Leistungsnachweises. Die Studierenden sollen also für in Eigenregie gehaltene Plauderstunden Kreditpunkte erhalten und selber mitentscheiden, ob sie lieber eine mündliche Prüfung ablegen möchten oder nicht doch lieber einen Text zum Thema schreiben. Damit, scheint mir, verkommt die Uni bald zum Jekami.  

2: Wiedereingliederung des ausgelagerten Reinigungspersonals  

Kurz und knapp stellt sich hier die Frage, was diese Forderung mit Bildungspolitik zu tun hat. Die Forderung wurde übrigens von der UNIA eingebracht.  

3: Demokratisierung der universitären Strukturen und vollständige Transparenz  

Als ehemaliges Mitglied des Studierendenrates hat mich diese Forderung sehr geärgert. Jedes Jahr hat die offizielle Studierendenvertretung Mühe, genügend Personen zu finden, welche die bestehenden Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden nutzen. Da tönt die Forderung nach mehr Demokratie doch recht verwegen. Im übrigen bestanden die Besetzer stets auf Anonymität. Zur Transparenz gehört aber auch, mit seinem Namen zu seinen Forderungen zu stehen.  

4: Keine sozialen und finanziellen Hindernisse, um studieren zu können  

Nach liberalem Verständnis soll auch wer aus finanziell schwachen Verhältnissen kommt die Möglichkeit haben, die Universität zu besuchen, wenn er die erforderlichen Fähigkeiten dazu mitbringt. Deshalb aber die Abschaffung der Studiengebühren zu fordern, ist ein Fehlschluss. Die Gebühren sind heute bei weitem nicht kostendeckend (siehe Tabelle). Dies müssen sie auch nicht sein. Aber die Studierenden sollen ihren, wenn auch kleinen, Beitrag zur Finanzierung leisten. Bereits heute explodieren die Studierendenzahlen. Eine Gratis-Uni würde die Situation verschärfen, die Betreuungsverhältnisse verschlechtern und Mehrkosten für den Staat bedeuten. Dann würde sich das protestieren wegen bald österreichischer Verhältnisse tatsächlich lohnen.  

Für finanziell schwache Studierende stehen Stipendien zur Verfügung. Hier muss man allenfalls noch nachbessern. Aber diese Forderung wiederspiegelt die masslose Anspruchshaltung linker Kreise, der Staat müsse einfach immer alles finanzieren. Dies ist klar abzulehnen.  

Kosten pro Student für die Grundausbildung 


Theologie 

21‘424  


Phil. Hist. inkl. Psychologie 

12‘665 


Phil. Nat. 

27‘381 


Wirtschaft 

10‘479 


Recht 

9‘606 


Medizin 

n.a. 


 
 

(Quelle: Bundesamt für Statistik, 2008)  

Artikel erschienen im „Speaker’s Corner“ vom Dezember 2009.

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    Luca Urgese
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