Wirtschaftspolitische Anliegen haben es an der Urne zunehmend schwer. Um Vertrauen und politische Mehrheiten zu gewinnen, braucht es neben Engagement und Leidenschaft eine solide Faktenbasis. Die Themenkampagne Finanzfakten der Handelskammer beider Basel liefert fundiert recherchierte Argumente zur Finanz- und Steuerpolitik.
Unsere Demokratie ist etwas Einzigartiges: Bürgerinnen und Bürger können viermal im Jahr zu den verschiedensten Aspekten des Lebens ihre Meinung an der Abstimmungsurne zum Ausdruck bringen und so darüber mitentscheiden, in welche Richtung sich Land, Kanton und Gemeinde weiterentwickeln.
Solche Urnengänge waren, je nach Gegenstand der Abstimmung, schon immer hart umkämpft und wurden auch emotional geführt. Im Buch «Heute Abstimmung!» haben die Autoren David Hesse und Philipp Loser beispielhaft 30 Abstimmungen aufgelistet, die für die Geschichte der Schweiz besonders prägend waren und um die teilweise mit ziemlich harten Bandagen gestritten wurde.
Gemeinsame Faktengrundlage erodiert
So wie die Gesellschaft, haben sich natürlich auch Abstimmungskämpfe über die Jahre verändert. Drei Entwicklungen möchte ich an dieser Stelle hervorheben:
Internationalisierung: Der Medienkonsum hat sich, beeinflusst durch die sozialen Medien, internationalisiert. Unsere Wahrnehmung von politischen Diskussionen ist stärker als früher geprägt von immer hemmungsloser geführten amerikanischen Wahlkämpfen oder deutschem Koalitionsdauerstreit – in Echtzeit.
Dauerkampagnen: Die zyklischen Abstimmungskämpfe sind längst politischen Dauerkampagnen gewichen. Gerade die Polparteien haben diese professionalisiert und bespielen dauerempört laufend ihre wirtschaftskritischen Narrative.
Alternative Fakten: Früher war nicht alles besser. Schon immer wurde darüber gestritten, was wahr und was unwahr ist. Neu ist, auch hier amerikanisch geprägt, die Unverfrorenheit, mit der heutzutage Unwahrheiten verbreitet werden. Die Hemmschwelle ist, verstärkt durch Algorithmen sozialer Medien, die besonders umstrittene Aussagen begünstigen, deutlich gesunken.
Diese Entwicklungen verstärken einander und ändern unsere Wahrnehmung von Politik. Aus demokratischer Debatte wird Streit, es bilden sich politische «Bubbles». Diese entfernen sich immer weiter voneinander. Die gemeinsame Faktengrundlage politischer Debatten erodiert.
Weniger Vertrauen in wirtschaftspolitische Anliegen erkennbar
Unter diesen Entwicklungen hat auch die Wirtschaft gelitten. Die laufend geschürte Empörung hat zu einem Vertrauensverlust geführt. Der grundsätzliche Goodwill gegenüber wirtschaftspolitischen Anliegen, verbunden mit der Überzeugung, dass eine erfolgreiche Wirtschaft uns allen nützt, ist erschüttert.
Wie sollen wir diesen Entwicklungen entgegentreten? Um politische Mehrheiten für wirtschaftspolitische Anliegen zu gewinnen, braucht es aus meiner Sicht drei Dinge: Engagement, Leidenschaft und eine solide Faktenbasis.
Das persönliche Engagement all derjenigen, denen das wirtschaftliche Erfolgsmodell Schweiz am Herzen liegt, ist unabdingbar und kann nicht delegiert werden. Wer die liberale Marktwirtschaft verteidigen will, muss sich mit Leidenschaft in die politische Debatte stürzen, um die Menschen zu überzeugen.
Finanzfakten schaffen Abhilfe
Und dann sind da noch die Fakten. Der Kampf um das bessere Argument reicht nicht mehr, es braucht auch den Kampf um die richtigen Fakten und deren Interpretation. Hier kommt unsere Themenkampagne Finanzfakten ins Spiel. Gebündelt zu fünf Themen haben wir fundiert recherchierte Fakten, Zahlen und Argumente zur Finanz- und Steuerpolitik zusammengetragen, um allen die Arbeit zu erleichtern, die in Gesprächen, Diskussionen und politischen Debatten für unser Wirtschaftsmodell einstehen wollen.
Bei der Arbeit für diese Kampagne sind wir auf interessante Erkenntnisse gestossen. Auf zwei davon möchte ich hier näher eingehen.
Werden die Reichen immer reicher?
Wenn Sie spontan die Frage beantworten müssten, wie sich die Verteilung der Einkommen in der Schweiz in den letzten Jahren entwickelt hat, wäre es nicht überraschend, wenn die Aussage «Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher» Ihre Gedanken kreuzen würde. Bloss: Die Aussage ist falsch, und zwar gleich doppelt.
Der Anteil der einkommensstärksten 10 Prozent am Gesamteinkommen ist seit vielen Jahren stabil bei ungefähr 30 Prozent (1990: 30,54%, 2023: 30,05%). Dies widerspiegelt sich auch im sogenannten Gini-Index. Dieser Index gibt die Verteilung der Einkommen in einem Land an. Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine vergleichsweise tiefe Einkommensungleichheit auf.
Gleichzeitig stieg das Einkommen der ärmsten Haushalte: Das verfügbare Einkommen der untersten zehn Prozent stieg in den vergangenen 15 Jahren um 12,5 Prozent – bei einer Teuerung von 6,8 Prozent im selben Zeitraum.
Zahlen Reiche zu wenig Steuern?
Eine weiteres Argument, dem wir in der politischen Auseinandersetzung häufig begegnen, ist die These, dass vermögende Personen einen zu geringen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten und demzufolge einer höheren Besteuerung unterliegen sollten. Deshalb haben wir nachgeschaut, wer bei uns wie viel Steuern bezahlt und sind dabei zu einer bemerkenswerten Erkenntnis gekommen.
Ein kleiner Teil von drei Prozent der Privatpersonen und fünf Prozent der Unternehmen macht mit seinen Einkommens-, Vermögens- und Gewinnsteuern knapp 30 Prozent sämtlicher Einnahmen der beiden Kantone aus. Das entsprach im Jahr 2023 2,3 Milliarden Franken. Der Personalaufwand der beiden Basel belief sich im selben Jahr auf 2,16 Milliarden Franken (Basel-Stadt: 1,46 Mia., Basel-Landschaft: 699 Mio.).
Mit anderen Worten: Diese sehr kleine Gruppe von Personen und Unternehmen hat mit ihren Steuern die Löhne sämtlicher (!) Staatsangestellten der beiden Basel bezahlt. Zahlen diese also wirklich zu wenig Steuern?
Auf finanzfakten.hkbb.ch finden Sie weitere Zahlen und Erkenntnisse zur Finanz- und Steuerpolitik.
Artikel erschienen in tribune 4/2025.

