Wahlsonntage sind, egal wie sie ausgehen, ein Freudenfest für jeden Politnerd, als den ich mich durchaus betrachte. Es gibt viele neue Zahlen, die man analysieren und interpretieren kann, um dann möglichst die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Die diesjährigen Nationalratswahlen sind da nicht anders und bieten einen grossen Fundus an Zahlenmaterial. Fünf Erkenntnisse aus der Analyse möchte ich hier mit Ihnen teilen:
- Die politischen Lager sind erstaunlich stabil. Basel-Stadt wird gerne als linker Kanton verschrien. Doch es zeigt sich, dass die politischen Lager in unserem Kanton nun schon seit mehreren Jahren wahlübergreifend ziemlich stabil sind. Die Linke schwankt um die 50%-Schwelle herum, während das bürgerlich-liberale Lager konstant etwa einen Drittel der Stimmen macht. Die übrigen Stimmen gehen ins rechte Lager. Die FDP befindet sich also vor allem im Wettstreit um das Drittel der Wählenden, die FDP, LDP, Mitte oder GLP wählen.
- Unsere Wählerschaft setzt auf Köpfe. Je weniger Sitze ein Kanton hat, desto stärker wird eine Wahl zur Personenwahl. Die bürgerlich-liberale Wählerschaft pflegt das seit Jahren sehr ausgeprägt und entscheidet sich von Wahl zu Wahl für die Partei, deren Spitzenkandidatur sie am meisten überzeugt. Dies widerspiegelt sich entsprechend in sehr volatilen Wahlergebnissen. Die früheren Zugewinne für die LDP haben sehr direkt mit der Personalie Christoph Eymann zu tun. Die von ihr verlorenen 5 Prozent gingen vor allem an FDP und GLP und dabei vor allem an deren Spitzenkandidaten. Baschi Dürr, Katja Christ und Patricia von Falkenstein waren jeweils für 45-47% des Gesamtergebnisses ihrer Liste verantwortlich. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt (39%) und wird sonst nur von Sibel Arslan erreicht. Bei den anderen Parteien sind die Stimmen breiter verteilt.
- Die FDP hat eine positive Panaschierbilanz. Interessant ist jeweils auch, von wem eine Partei Stimmen bekommt und an wen sie Stimmen abgibt. Erfreulicherweise kann festgestellt werden, dass die FDP von allen Parteien ausser dem GB mehr Stimmen bekommt, als sie an diese verliert. Besonders ausgeprägt ist das gegenüber der LDP, mit der ein reger Stimmenaustausch stattfindet. Unter dem Strich resultiert für die FDP ein Plus von 437 Stimmen.
- Die GLP fischt im linken Lager. Zu oft müssen wir uns darüber ärgern, dass die GLP im Grossen Rat nach Links abbiegt. Das widerspiegelt sich auch in den Wahlergebnissen. Satte 41 Prozent der Panaschierstimmen für die GLP stammen von SP- und GB-Listen. Das ist nur knapp weniger als die PdA (42%) erhalten hat. Zum Vergleich: Bei FDP (11%), LDP (16%) und Mitte (16%) ist der Anteil linker Panaschierstimmen deutlich kleiner.
- Die FDP gewinnt kantonal erstmals seit 2012 wieder. Und zuletzt möchte ich – bei aller Enttäuschung über den verpassten Wiedereinzug in den Nationalrat – festhalten, dass die FDP bei diesen Wahlen erstmals seit den Grossratswahlen 2012 auf kantonaler Ebene wieder Wähleranteile gewinnt. Zusammen mit dem Zugewinn bei den Einwohnerratswahlen in Riehen 2022 ist das eine gute Grundlage, um mit voller Motivation auf einen nächsten Wahlerfolg bei den kantonalen Wahlen 2024 hinzuarbeiten. Denn Zahlen sind schön und gut, aber motivierte Kandidatinnen und Kandidaten sind viel wichtiger!