Speaker’s Corner: eVoting in der Schweiz: Höhere Stimmbeteiligung bei Jungen oder Gefahr für das Vertrauen in die Demokratie? – Streitgespräch zwischen Samuel Lanz und Luca Urgese

30. November 2011

Bei den Wahlen vom 23. Oktober haben viele Auslandschweizer erstmals mittels eVoting abstimmen können. Samuel Lanz, Präsident der FDP International, befürwortet eVoting auch für Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz. JFBS-Präsident Luca Urgese hingegen fürchtet um das Vertrauen in die Demokratie.

Sämi, welche Rückmeldungen hast du von Auslandschweizern in Bezug auf eVoting bekommen?

SL: Nur positive. Wo sie die Möglichkeit hatten, hat die Hälfte der Auslandsschweizer diese Möglichkeit auch genutzt. Viele Bekannte im Ausland haben es genutzt und waren begeistert.

Luca, wieso bist du dagegen, dass sich Auslandschweizer so einfach an Wahlen beteiligen können?

LU: Das bin ich gar nicht! Ich finde es aber falsch, ein Instrument für die verbesserte Beteiligung der Auslandschweizer auf alle Stimmbürger in der Schweiz auszudehnen.

Was stört dich denn daran?

LU: Demokratie lebt von Vertrauen. Ich bin der Meinung dass es aus dieser Sicht fatal wäre, wenn wir statt physischen Wahlzetteln nur noch Einsen und Nullen in einem Computer hätten. Eine Nachzählung würde so unmöglich und das Risiko von Manipulationen würde massiv zunehmen.

SL: Manipulationen sind auch bei brieflich Stimmenden leicht möglich: Man kann in der Woche vor der Abstimmung im Altpapier auf der Strasse einfach mal fischen gehen… Ausserdem sind heute auch Nachzählungen in den wenigsten Fällen möglich, da die Stimmzettel sehr oft rasch vernichtet werden – einen aktuellen Fall gibt es im Kanton Bern.

LU: In Bern haben die Behörden die Stimmzettel zu früh vernichtet, entgegen den gesetzlichen Vorschriften!

Sämi, was sind denn die Vorteile von eVoting?

SL: Die Post funktioniert in sehr weiten Teilen der Welt nicht so gut wie in der Schweiz. Es sind mir Fälle bekannt, wo die Abstimmungsunterlagen nicht oder fast zu spät angekommen sind. Mit eVoting wurde ermöglicht, dass die Auslandsschweizer ihrer Stimmabgabe auch sicher sein konnten: Ihre Wahl kam in der Schweiz an.

LU: Das finde ich ja auch gut, aber dieses Post-Problem haben wir in der Schweiz nicht!

SL: Stimmt, aber wir in der Schweiz wollen immer ein offenes, zukunftsgerichtetes Land sein: Gerade hier hätten wir die Chance, auch ein Zeichen zu setzen. Das käme gerade den Jugendlichen zu Gute.

Luca, du bist Präsident einer Jungpartei und setzt dich für eine höhere Stimmbeteiligung von Jungen ein. eVoting würde doch zu diesem Ziel beitragen, weil wählen einfacher würde.

LU: Das halte ich für einen grossen Trugschluss. Um die Sicherheit zu gewährleisten genügt es eben nicht, einfach nur auf einer Webseite Ja oder Nein zu drücken, sondern man muss sich mittels kompliziertem Verfahren identifizieren. Da ist es doch viel einfacher, Ja oder Nein auf ein Blatt Papier zu schreiben und es in ein Couvert zu stecken.

SL: Ich gebe hier nur Luca zum Teil Recht. Ich hatte während meines Aufenthalts in Grossbritannien selbst die Möglichkeit eVoting zu gebrauchen. Es ist aber sehr gut vergleichbar mit einem sicheren eBanking Zugang. Es geht trotzdem relativ schnell und man kann am Abend schnell noch abstimmen und wählen, wenn man sowieso vor dem PC sitzt. Gerade junge Erwachsene weisen heute eine viel höhere technische Kompetenz auf.

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    Luca Urgese
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