Verschwinden Schweizer News bald von Google, Facebook und Co.?

31. August 2023

«Googeln» ist schon lange zum Synonym für die Suche im Internet geworden. Nicht umsonst ist das Wort vom Duden als Verb aufgenommen worden. Wer im Internet etwas finden will, nutzt in der Regel den Branchen-Primus. Auch wenn Microsoft mit Bing erhebliche Anstrengungen unternimmt und Junge für ihre Suche vermehrt TikTok nutzen: Keiner der Alternativen ist es bisher gelungen, Googles Vormachtstellung zu durchbrechen.

Das weckt Begehrlichkeiten. Seit einigen Jahren versuchen Medienhäuser rund um den Globus davon zu profitieren. Doppelt zu profitieren, muss man präziserweise sagen. Denn schon heute gehören sie zu den grössten Nutzniessern von Google, Facebook und Co. Diese Tech-Plattformen sorgen dafür, dass Medieninhalte gefunden und angeklickt werden. Wer von uns hat noch nie einen Link zu einem Artikel angeklickt, der bei einer Google-Suche erschienen ist? Wer von uns hat noch nie einen Artikel angeklickt, der einem auf Facebook oder Twitter empfohlen wurde? Eben.

Natürlich wissen das auch die Medienhäuser. Sie sehen in ihren Statistiken, woher ihre Besucherinnen und Besucher kommen. Jedes Medienportal, das etwas auf sich hält, optimiert seine Internetseite deshalb so, dass seine Newsbeiträge auf Google ideal und möglichst weit oben angezeigt werden. Es optimiert seine Newsbeiträge so, dass Bild und Text von Facebook und X (ehemals Twitter) ideal dargestellt werden. Und es verbreitet seine Inhalte zusätzlich selber über die sozialen Medien. Das ist völlig nachvollziehbar, denn das generiert Reichweite und Klicks – heute eine der wichtigsten Währungen im Medienbusiness. Denn Klicks sind bares Geld.

Und was hat das nun mit Politik zu tun? Mitte September endet das Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Urheberrechtsgesetzes. Der Bundesrat will ein sogenanntes Leistungsschutzrecht einführen. Das bedeutet konkret, dass Online-Dienste, die von mindestens 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung genutzt werden, künftig jedes Mal eine Vergütung an ein Medienhaus zahlen sollen, wenn ein Newsbeitrag in den Suchergebnissen angezeigt wird. Eine Variante sieht gar vor, dass jedes Mal eine Vergütung bezahlt werden muss, wenn in den sozialen Medien ein Link zu einem Newsbeitrag gepostet wird.

Der Vorschlag ist aus mindestens drei Gründen äusserst fragwürdig:

Erstens hat jede Internetseite heute schon die Möglichkeit zu steuern, ob ihre Beiträge von einer Suchmaschine angezeigt werden. Jedes Newsportal könnte mit einem kleinen technischen Kniff dafür sorgen, dass es von Google nicht mehr angezeigt wird. Das will aber logischerweise kein Newsportal, man will ja schliesslich gefunden werden. Was zeigt, dass die Dienstleistung der Tech-Unternehmen für die Newsportale schon heute einen grossen Nutzen generiert.

Zweitens würden die Newsportale damit doppelt kassieren. Einerseits über diese neue Vergütung. Andererseits aber auch, indem sie Geld verlangen, damit man einen Artikel lesen kann. Dies ist heute bei vielen Portalen der Fall. Und dann gibt es noch die Werbeanzeigen, die sie auf ihren Internetseiten haben und für die werbende Unternehmen je mehr bezahlen, desto mehr Besuchende ein Newsportal hat. Warum sollte umgekehrt Google von einem Medienportal nicht einen Anteil der durch einen Klick bei Google generierten Einnahmen verlangen? Schliesslich ist der Klick nur deshalb entstanden, weil der Beitrag von Google angezeigt wurde. Wäre es nicht fair, für diese Dienstleistung zu bezahlen? So funktioniert Googles Geschäftsmodell nicht. Aber der Spiess liesse sich sehr schnell umkehren.

Drittens ist klar, dass Google und Co. keinerlei Interesse daran haben, solche Vergütungen zu bezahlen. Sie würden daher schlicht und einfach Schweizer Newsportale nicht mehr anzeigen. Sie halten das für eine leere Drohung? Dass Google und Facebook das ernst meinen, konnte man bereits beobachten. So hat Kanada erst dieses Jahr ein Gesetz eingeführt, das eine solche Vergütung vorsieht. Google und Facebook haben daraufhin entschieden, Inhalte von kanadischen Newsportalen nicht mehr anzuzeigen.

Gegen die geplante Link-Steuer sollten wir uns deshalb in unserem eigenen Interesse entschieden zur Wehr setzen. Sie ist ein Beispiel für schlechte Regulierung im Bereich der Digitalisierung, die zu stark auf (behauptete) Nachteile und zu wenig auf Chancen und Potenzial schaut.

Eine Studie im Auftrag des Instituts für Geistiges Eigentum hat aufgezeigt, das hier kein Marktversagen vorliegt. Es handelt sich um eine Symbiose in beidseitigem Interesse. Wir sollten es dabei belassen und auf einen unnötigen Staatseingriff verzichten.

Politikerinnen und Politiker, die unnötige Staatseingriffe ablehnen, kann man übrigens am 22. Oktober 2023 in den Nationalrat wählen. Ich empfehle Ihnen Baschi Dürr, Tamara Alù, Eva Biland und Johannes Barth.

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    Luca Urgese
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