Unter dem Titel «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» kommt am 26. September 2021 eine Initiative der JungsozialistInnen zur Abstimmung, auch bekannt als «99%-Initiative». In gewohnt polemischer Manier erhebt sich die Juso zur selbsternannten Vertreterin der 99 Prozent gegen «das reichste 1 Prozent und sagt dem «bösen» Kapital den Kampf an. Soweit die Abstimmungsrhetorik.
Der Initiativtext selbst ist relativ kurz, birgt aber einigen Sprengstoff. Verzeihen Sie mir daher, wenn ich Sie zunächst mit ein paar Zahlen und Fachbegriffen bombardiere.
Höhere Besteuerung für Kapitaleinkommen
Die Initiative schafft auf Verfassungsstufe einen Unterschied zwischen Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen. Kapitaleinkommen kann auch als Rendite bezeichnet werden. Darunter fallen unter anderem Zinsen, Mietzinsen, Dividenden oder Grundstückgewinne. Geht es nach den Initiantinnen und Initianten, sollen künftig all diese Kapitaleinkommen zu 100 Prozent versteuert werden. Heute ist das nicht immer der Fall. So werden Dividenden aus KMU nur teilweise besteuert (in Basel-Stadt aktuell zu 80 Prozent), um eine übermässige Doppelbesteuerung von KMU-Inhabenden zu vermeiden.
Doch damit nicht genug. Die Juso hat sich – wenig überraschend – mehr Umverteilung zum Ziel gesetzt. Deshalb soll Kapitaleinkommen, welches einen bestimmten Schwellenwert erreicht, im Umfang von 150 Prozent versteuert werden. Dieser Schwellenwert ist im Initiativtext nicht festgehalten, sondern müsste vom Gesetzgeber definiert werden.
Ein konkretes Rechenbeispiel
Machen wir ein konkretes Beispiel: Der Schwellenwert wird auf 100’000 Franken festgesetzt. Sie verdienen 200’000 Franken Kapitaleinkommen, sagen wir in Form von Mietzinseinnahmen. Die ersten 100’000 Franken werden normal versteuert. Die weiteren 100’000 Franken werden hingegen im Umfang von 150 Prozent versteuert, also so als ob es 150’000 Franken wären. Sie müssten also künftig 250’000 Franken versteuern, obwohl Sie nur 200’000 Franken verdient haben.
Das Beispiel zeigt, dass die angebliche Gerechtigkeit, die mit der Initiative hergestellt werden soll, nur Fassade ist. Einkommen versteuern zu müssen, welches gar nicht erzielt worden ist, ist ungerecht. Dass wissen all diejenigen bestens, die in den letzten Jahren unter stark steigenden Eigenmietwerten zu leiden hatten.
Deutlich mehr als das reichste 1 Prozent betroffen
Zwar behaupten die Initianten, sie wollten nur den Superreichen ans Portemonnaie. Eine Analyse der Folgen zeigt aber ziemlich schnell, dass der Kreis der Betroffenen deutlich grösser ist. Betroffen sind unter anderen Kleinanlegende: Wer heute als Privatperson Aktien kauft und diese morgen zu einem höheren Kurs verkauft, erzielt einen heute steuerfreien Kapitalgewinn. Künftig ist dieser zu 100 Prozent als Einkommen zu versteuern.
Eigenheimbesitzende müssen, wenn sie ihr Haus oder Grundstück verkaufen, den erzielten Mehrwert künftig zusätzlich auch auf Bundesebene versteuern. Bisher gibt es nur auf kantonaler Ebene eine Grundstückgewinnsteuer.
Dies sind nur zwei Beispiele. Auch für Start-ups oder Familienunternehmen verschlechtern sich die Rahmenbedingungen massiv.
Bereits heute eine erhebliche Umverteilung
Nimmt man all dies zur Kenntnis, stellt sich unweigerlich die Frage, ob in der Schweiz ein derartiges Malaise herrscht, um solch drastische Massnahmen zu rechtfertigen. Dem ist natürlich nicht so.
Es sei daran erinnert, dass über die Einkommens- und Vermögenssteuern, aber auch über die Sozialversicherungen bereits heute eine substanzielle Umverteilung stattfindet. In Basel-Stadt zahlen die reichsten 3 Prozent rund 27 Prozent der Einkommenssteuern. Auf Bundesebene zahlen das reichste Prozent 40 Prozent der Steuern. Bei den Vermögen ist es noch extremer: Die reichsten 2,8 Prozent zahlen rund 77 Prozent der kantonalen Vermögenssteuern. Schon heute leisten Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen damit einen substanziellen Anteil an der Finanzierung des Staatshaushaltes.
Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Die Initiative führt zu einer zusätzlichen Steuerbelastung bei breiten Bevölkerungsschichten. Sie ist ungerecht, weil sie fiktive Einkommen besteuert und sie führt zu unnötiger zusätzlicher Umverteilung. Mehr als genug Gründe, um am 26. September 2021 ein Nein in die Urne zu legen.
Artikel erschienen im Der Hausbesitzer von Juni 2021.