Kleinen Betrieben helfen, bevor es zu spät ist

22. April 2020

Der Beginn einer Krise ist die Zeit der Exekutive. Sie kann und muss schnell reagieren. Es bleibt keine Zeit für lange Diskussionen und politische Prozesse. Erst später kommt das Parlament zum Zug.

Aus unserer Sicht, aus Sicht der FDP, hat der Regierungsrat in den letzten Wochen einen guten Job gemacht. Basel-Stadt war in verschiedener Hinsicht bei jenen Kantonen, die mit Unterstützungsmassnahmen beispielhaft voranschritten. Der Regierungsrat war präsent, hat klar kommuniziert und dafür danken wir ihm und der gesamten Kantonsverwaltung.

Nun sind wir aber der Ansicht, dass der Moment des Parlaments gekommen ist. Der Moment, um auf Lücken und auf Nachbesserungsbedarf hinzuweisen, weshalb es drei ergänzende Massnahmen braucht. Das sind die drei dringlichen Motionen, die Sie heute von uns auf dem Tisch haben.

Die Coronakrise hat bei unzähligen Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Notstand geführt. Innert kürzester Zeit sind Aufträge und Einnahmen teilweise oder ganz weggebrochen. Die Fixkosten auf der anderen Seite bleiben aber weiterhin bestehen und müssen bezahlt werden.

Es liegt auf der Hand, dass das bei einem Unternehmen innert kürzester Zeit zu Liquiditätsengpässen führen kann. Das ist wie eine Badewanne, deren Stöpsel gezogen ist, in die aber kein frisches Wasser mehr reinkommt. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Badewanne leer ist.

Idealerweise hat ein Unternehmen in den letzten gut laufenden Jahren die Badewanne bis an den Rand gefüllt, als Reserve. Tatsache ist aber auch, dass insbesondere die ganz kleinen Betriebe, wie z.B. der Coiffeur, die Schneiderin oder der Secondhand-Shop, dafür schlicht und einfach zu wenig Ertrag erzielen. Sie haben bis jetzt in einer freien Marktwirtschaft überlebt und sind jetzt Leidtragende von – unbestrittenermassen gerechtfertigten – massiven staatlichen Einschränkungen. Es wäre arrogant und überheblich, wenn man einfach sagen würde, sie seien an ihrer Situation selber schuld, sie hätten einfach mehr sparen müssen.

Und deshalb braucht es eben noch ergänzende Massnahmen. Die erste Forderung, die Motion Bucher, ist eine eher kleine Sache, nämlich dass der Kanton wenn möglich seine Rechnungen schneller zahlen soll. Das kostet den Kanton nichts, aber der Zahlungsempfänger verfügt schneller wieder über flüssige Mittel, die er wiederum zur Zahlung seiner Rechnungen verwenden kann.

Die zweite Forderung, die Motion Mumenthaler, stützt sich auf das, was der Bund und viele andere Kantone schon lange gemacht haben. Nämlich dass im Jahr 2020 keine Verzugszinsen auf Steuern anfallen sollen. Das hat eine ganz simple Logik: Es ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn der Staat auf der einen Seite den Unternehmen finanzielle Unterstützung zukommen lässt. Sei es mit Kurzarbeitsentschädigung, Selbständigen-Unterstützung oder was auch immer. Und auf der anderen Seite einen Teil davon dann mit der Steuerrechnung wieder einzieht. Da torpediert der Staat seine eigenen Unterstützungsmassnahmen. Das sollte eigentlich Jeder und Jedem einleuchten.

Das Finanzdepartement hat darauf reagiert, indem es Stundungsgesuche kulant gewährt. Das ist zwar erfreulich, weil es genau dem Effekt entgegenwirkt, den ich eben geschildert habe. Nun kann also ein Unternehmen bei der Steuerverwaltung darum bitten, dass es seine Steuern später bezahlen darf. Die Steuerverwaltung sagt: Ja. Aber: Absurderweise muss dann, obwohl die Steuerverwaltung die spätere Bezahlung genehmigt hat, dafür ein Verzugszins bezahlt werden. Da fühlt sich doch jeder Unternehmer auf den Arm genommen!

Das argumentiert, Verzugszinsen seien nun mal eine gesetzliche Vorgabe. Da staune ich, denn wir werden unter Traktandum 7 und 8 bewilligen, dass bei den Fristen nicht nur das Gesetz sondern auch die Kantonsverfassung vorübergehend übersteuert wird. Es wäre ohne weiteres auch hier möglich, die gesetzliche Verzugszinsregelung vorübergehend ausser Kraft zu setzen. Bei Bedarf kann man beim Bund und beim Kanton Baselland nachsehen, wie man das machen kann.

Dann habe ich in einer Medienmitteilung der SP als Argument gelesen, es würden in erster Linie die grossen, ertragsstarken Firmen entlastet. Es ist wirklich zum Verzweifeln! Selbst in dieser Krisensituation schaffen Sie es nicht, sich für einen Moment von diesem Klassenkampf gegen grosse Firmen zu lösen. Dabei geht es doch gar nicht um diese! Das sind doch nicht die, die jetzt Liquiditätsengpässe haben. Die konnten nämlich Reserven bilden. Wenn Sie überhaupt nicht loslassen können von diesem unsäglichen Anti-Reflex, dann kann der Regierungsrat ja eine Hürde einbauen. Ein Mindestumsatz, der durchschnittliche Gewinn der vergangenen Jahre oder was auch immer. Aber sich aus diesem Grund gegen eine an sich nicht nur sinnvolle sondern auch logische Massnahme zu stemmen, lässt mich nur verständnislos zurück. Wie gesagt, der Kanton erlaubt dem Unternehmen, die Steuern später zu zahlen, will dafür aber Verzugszinsen haben. Willkommen in Absurdistan!

Und schliesslich dann die dritte Forderung, meine Motion betreffend Soforthilfe. Ich habe es vorhin gesagt, ein Teil des Problems sind die Fixkosten, die trotz Einnahmeausfällen bezahlt werden müssen. Für die Lohnkosten, bei den allermeisten Unternehmen einer der grössten Kostenblöcke, gibt es eine Lösung: Entweder man beantragt Kurzarbeitsentschädigung oder es gibt Unterstützung für Selbständige und Angestellte in arbeitgeberähnlicher Stellung.

Seit gestern gibt es auch eine mögliche Lösung für die Mietkosten: Eine gemeinsame Initiative von Mietern, Vermietern und Wirten für kantonale Mietzinsbeiträge. Es ist hoch erfreulich, dass da eine gemeinsame Lösung gefunden wurde und der Regierungsrat diese bereits wenige Tage später gutheisst.

Nur ist es leider nicht so, dass damit alle Fixkosten-Probleme gelöst wären. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist diese Lösung freiwillig. Das heisst, der Vermieter muss mit einer Reduktion des Mietzinses einverstanden sein. Ist dies nicht der Fall, hat das mietende Unternehmen gar nichts davon. Es wird daher viele Betriebe geben, die von dieser Lösung nicht werden profitieren können.

Und zweitens sind Fixkosten nicht ausschliesslich Mieten. Es gibt auch Kosten für Energie, Wasser, Strom, Versicherungen, Kapitalkosten und so weiter. Alles Kosten die ebenfalls bezahlt werden müssen.

Und hier kommt nun die Soforthilfe ins Spiel. Sie würde helfen, eben diese Kosten zu decken. Der Kanton Baselland hat es vorgemacht, mit maximal 10‘000 Franken pro Betrieb. Schon daraus sehen Sie, dass es hier nicht um grosse Unternehmen geht. Sondern es geht hier um die kleinen Betriebe, bei denen ein solcher Betrag über das wirtschaftliche Überleben entscheiden kann.

Ich habe schon verschiedentlich gehört, es handle sich dabei um Helikoptergeld. Das ist schlicht und einfach falsch. Helikoptergeld würde hier bedeuten, dass der Staat an alle Unternehmen einen bestimmten Betrag ausbezahlt. Das ist bei der Soforthilfe nicht der Fall. Hier besteht ein klares Kriterium für den Anspruch auf Soforthilfe: Man muss Kurzarbeit oder Entschädigung für Selbständige beantragt haben. Bei diesen Entschädigungen wird vom Kanton geprüft, ob man von der Coronakrise betroffen ist. Da haben wir also einen Filter drin, damit das Geld nur denjenigen zu Gute kommt, die es nötig haben.

Wie gesagt, gestern hat der Regierungsrat über die kantonalen Mietzinszuschüsse entschieden. Und es gibt diejenigen, die jetzt sagen, meine Motion würde dadurch zu ungerechtfertigten Doppelzahlungen führen. Das ist natürlich klar nicht im Sinne des Erfinders. Lassen Sie es mich deshalb deutsch und deutlich sagen:

Selbstverständlich soll kein Betrieb beides bekommen! Das kann man ganz einfach lösen, indem der Kanton die Unternehmen vor die Wahl stellt. Entweder der Mietzinsbeitrag oder die Soforthilfe. Mit einer solchen Verknüpfung wird man der sehr unterschiedlichen Situation in den Betrieben gerecht.

Ich halte es hier mündlich und damit über das Protokoll auch schriftlich fest: Wenn der Regierungsrat eine solche Kombination umsetzt, werde ich als Motionär nicht beanstanden, dass die Motion nicht vollumfänglich umgesetzt worden ist. Sondern dann bin ich glücklich, dass der Regierungsrat so pragmatisch reagiert hat.

Es ist nun einmal das Merkmal einer Krise, dass sich die Dinge rasch ändern. Da können Sie jetzt einen auf Formalisten machen und sagen, dass die Motion nicht mehr 100%ig passt. Oder Sie sind lösungsorientiert und anerkennen, dass wir ja eigentlich dasselbe Ziel haben.

Das ist das, was mich innerlich auch so zur Verzweiflung bringt. Gestern hat die SP bekannt gegeben, dass sie Arbeitsplätze schützen und Firmen-Konkurse vermeiden will. Sie fordert deshalb Direkthilfen an betroffene KMU. Also genau das, was ich nun vorhin geschildert habe. Es gab sogar schon eine fixfertige Motion mit diesem Inhalt, die sie versehentlich verschickt, aber dann doch nicht eingereicht hat. Darin beschreibt sie genau die Lösung, die ich hier mit meiner Motion auch will. Meine Motion lehnt sie aber ab mit dem Argument der ungerechtfertigten Doppelzahlungen.

Die SP wird mir vorwerfen, ich hätte die Motion nicht zurückgezogen. Ich habe in diesen Tagen mit drei Exponenten der SP telefoniert und ihnen das dargelegt, was ich nun Ihnen gesagt habe. Ich habe Hand geboten beispielsweise für eine parlamentarische Erklärung, wo wir nochmals ausdrücklich festhalten, dass es keine Doppelzahlungen geben soll. Eine Einigung war leider nicht möglich. Es darf offenbar selbst in der Krise nicht sein, dass eine solche Forderung von einer anderen Partei als der eigenen kommt.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke die Dringlichkeit ist offensichtlich. Vielen kleinen Betrieben steht jetzt das Wasser bis zum Hals. Wir sind seit dem 17. März in der sogenannten „ausserordentlichen Lage“. Seit dann sind den Betrieben die Einnahmen weggefallen. Wir müssen jetzt handeln.

Wenn Sie Nein sagen, überlegen Sie sich genau, warum Sie Nein sagen. Ist es aus falscher Eitelkeit, politischem Kalkül, oder gibt es wirklich einen guten Grund, die Dringlichkeit der Motionen abzulehnen?

Wir bitten Sie eindringlich, dafür zu stimmen, dass wir diese drei Motionen heute nach Traktandum 8 behandeln können. Im Mai oder gar Juni könnte es dafür für viele zu spät sein.

Votum im Grossen Rat am 22. April 2020.

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    Luca Urgese
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